Eine neue Langzeitstudie hat aufgedeckt, dass Glanzstare (Superb Starlings) beim Aufziehen ihrer Jungen gezielt miteinander kooperieren – sogar mit Artgenossen, die nicht verwandt sind. Das Verhalten erinnert an menschliche Freundschaften, bei denen gegenseitige Unterstützung im Vordergrund steht. Die Studie, geleitet von Professor Dustin Rubenstein der Columbia University, untersucht über 20 Jahre hinweg das Brutverhalten von mehr als 1.175 Vögeln in 410 Nestern in Kenia. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal Nature veröffentlicht.
Kooperation als Überlebensstrategie in kargen Lebensräumen
Die Glanzstare leben in trockenen, ressourcenarmen Gebieten, in denen das Überleben und erfolgreiches Brüten allein kaum möglich sind. In solchen Umgebungen reicht die Unterstützung von nur zwei Elterntieren oft nicht aus. Sie sind auf die Hilfe anderer Vögel angewiesen. “Insbesondere neu eingewanderte Vögel unterstützen ihre Artgenossen, um später selbst Unterstützung beim Brüten zu erhalten”, erklärt Prof. Rubenstein.
Dieser strategische Altruismus ist eine Überlebensstrategie, die es den Vögeln ermöglicht, in ihren schwierigen Lebensräumen zu gedeihen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Vögeln gewährleistet das Überleben der Brut und stärkt die Gemeinschaft. Das zeigt, dass Kooperation in sozialen Tieren nicht nur auf Verwandtschaft basiert, sondern durch gegenseitige Hilfe und strategisches Handeln motiviert ist.
Hilfe wird erwidert: Ein System des Altruismus
Die Studie zeigt, dass die Hilfe unter den Vögeln nicht zufällig, sondern gezielt und wiederholt erfolgt. Besonders bemerkenswert ist, dass Glanzstare auch Nicht-Verwandten helfen, selbst wenn nahe Verwandte im selben Brutverband leben. “Dies deutet darauf hin, dass Vögel soziale Bindungen eingehen, die weit über Verwandtschaftsbeziehungen hinausgehen”, sagt Rubenstein. Die gezielte Unterstützung zwischen nicht verwandten Vögeln erinnert an menschliche Freundschaften, in denen wechselseitige Hilfe und Vertrauen im Mittelpunkt stehen.
Dr. Julia Schroeder, Verhaltensökologin am Imperial College London, bestätigt diese Erkenntnisse. Sie betont, dass die Studie die Theorie stützt, dass Vögel einzelne Artgenossen erkennen und mit ihnen strategisch zusammenarbeiten. “Dies bringt uns dem Verständnis von Altruismus näher – einem Phänomen, das uns noch immer vor Rätsel stellt”, so Schroeder.
Altruismus in der Natur: Ein tieferes Verständnis
Die Frage bleibt jedoch, warum Vögel altruistisch handeln, obwohl sie nicht zur Revanche verpflichtet sind. Warum helfen sie ohne eine garantierte Gegenleistung? Diese und weitere Fragen will das Forschungsteam in künftigen Studien weiter untersuchen. Besonders interessant wird dabei die Frage, wie tief verwurzelt und komplex soziale Strukturen in der Tierwelt tatsächlich sind.
Die Erkenntnisse der Studie werfen neues Licht auf das soziale Verhalten von Tieren und könnten helfen, unser Verständnis von Altruismus und Kooperation in der Natur zu erweitern. Während bislang meist angenommen wurde, dass altruistisches Verhalten vor allem zwischen Verwandten zu beobachten ist, zeigt diese Studie, dass soziale Bindungen auch bei nicht verwandten Artgenossen existieren können – und das auf eine strategische Weise.
Zukünftige Forschungsfragen und Ausblick
Die Forschung rund um den Altruismus bei Tieren steckt noch in den Kinderschuhen. Das Team rund um Prof. Rubenstein hat sich zum Ziel gesetzt, in künftigen Studien die sozialen Strukturen in der Tierwelt noch detaillierter zu erforschen. Dies könnte nicht nur unser Wissen über die Lebensweise von Vögeln erweitern, sondern auch allgemeine Erkenntnisse über die Entstehung von sozialen Bindungen in verschiedenen Tierarten liefern.
Diese bemerkenswerte Studie zeigt, dass Tiere – ganz wie Menschen – in der Lage sind, “Freundschaften” zu bilden, die auf gegenseitiger Unterstützung und Kooperation basieren. Durch die Hilfe von nicht verwandten Artgenossen wird das Überleben gesichert und die Brutpflege erfolgreicher. Die Forschungen eröffnen neue Perspektiven für das Verständnis von Altruismus und sozialen Strukturen in der Natur, die weit über die klassischen Vorstellungen von Verwandtschaft hinausgehen.

