Das E-Commerce-Unternehmen Temu hat bekannt gegeben, dass es keine Produkte mehr direkt aus China an Kunden in den Vereinigten Staaten liefern wird. Stattdessen wechselt das Unternehmen zu einem neuen Geschäftsmodell, das auf inländische Lagerung und lokale Verkäufer setzt. Ab sofort werden alle Bestellungen in den USA ausschließlich von Händlern innerhalb des Landes abgewickelt. Dieser Schritt erfolgt nach dem Auslaufen der “de minimis”-Regelung, die bis vor Kurzem zollfreie Importe kleiner Pakete ermöglichte.
Das Ende der Steuerbefreiung für Importe
Temu und andere Unternehmen wie Shein hatten die „de minimis“-Regelung genutzt, um Waren ohne Zollgebühren zu verschicken, solange der Wert der Sendung unter 800 US-Dollar lag. Diese Ausnahmeregelung hatte es den Unternehmen ermöglicht, Produkte zu sehr niedrigen Preisen anzubieten und somit ihre Marktstellung zu stärken. Temu erklärte, dass sie nun gezielt US-Unternehmen für das neue Geschäftsmodell gewinnen konnten. Der Fokus liegt darauf, den Zugang lokaler Händler zu Konsumenten zu verbessern und deren Reichweite zu erweitern.
„Alle US-Verkäufe erfolgen nun durch lokale Anbieter und werden innerhalb des Landes verschickt“, so Temu in einer offiziellen Mitteilung. Der Schritt bedeutet eine Anpassung an die veränderten regulatorischen Bedingungen, die durch das Ende der Sonderregelung erforderlich wurden.
Historischer Hintergrund der „De-minimis“-Regel
Die „de minimis“-Regelung wurde erstmals 1938 eingeführt, um den Verwaltungsaufwand für kleine Zollbeträge zu minimieren. Im Laufe der Jahre wurde die Freigrenze auf 800 US-Dollar angehoben. Über 90 % aller Importe in die USA profitierten zuletzt von dieser Regelung, was es Plattformen wie Temu und Shein ermöglichte, riesige Mengen an Waren zu geringen Kosten in die USA zu liefern.
Mit der Abschaffung der Sonderregelung stehen Unternehmen wie Temu vor der Herausforderung, ihre Lieferketten anzupassen. Shein hat sich bisher nicht öffentlich zu den Änderungen geäußert, doch auch sie werden von den gestiegenen Kosten durch die neuen internationalen Zollvorgaben betroffen sein. Temu hat bereits für den 25. April Preiserhöhungen für US-Kunden angekündigt.
Politische Wendepunkte: Trump und Biden
Der Kurswechsel in den USA begann im Februar, als Präsident Donald Trump die „de minimis“-Regelung vorübergehend außer Kraft setzte. Dieser Schritt stieß bei Logistikunternehmen, Onlinehändlern und Zollbehörden auf Schwierigkeiten, da sie kaum Zeit hatten, sich auf die Änderungen einzustellen. In dieser Übergangsphase stellte die US-Post den Empfang von Paketen aus China und Hongkong vorübergehend ein. Ziel der Regierung war es, die Einfuhr gefährlicher Drogen wie Fentanyl zu verhindern, die in Billigsendungen versteckt werden könnten. Das Weiße Haus gab an, dass Fentanyl jährlich zu zehntausenden Todesfällen in den USA führt.
Präsident Biden hat die Politik seines Vorgängers fortgesetzt und plant ebenfalls, die Ausnahmeregelung zu stark einzuschränken. Laut der Biden-Administration erschwert die hohe Zahl zollfreier Sendungen die Identifikation illegaler Güter, was die Notwendigkeit einer strikteren Kontrolle unterstreicht.
Neue Zölle belasten Verbraucher
Zum Januar dieses Jahres führte die US-Regierung neue Zölle auf chinesische Waren ein, die bis zu 145 % betragen können. In Kombination mit den bestehenden Zöllen können Importeure einer Belastung von bis zu 245 % ausgesetzt sein. Dies führt zu einer erheblichen Preissteigerung für Endverbraucher in den USA. Waren aus China und Hongkong, die den Wert von 800 US-Dollar überschreiten, unterliegen nun einem Zoll von 120 %. Für kleinere Sendungen wurde eine Pauschale von 200 US-Dollar eingeführt. Experten des American Action Forum schätzten, dass die neuen Zollvorgaben die jährlichen Mehrkosten auf bis zu 30 Milliarden US-Dollar steigen lassen könnten, was die Preise für Konsumenten deutlich anheben würde.
Reaktionen in Europa und Großbritannien
Auch außerhalb der USA haben die neuen Zollregelungen Auswirkungen. In Großbritannien wird derzeit eine Überprüfung der zollfreien Einfuhrgrenze für kleine Auslandssendungen durchgeführt. Derzeit liegt die Freigrenze bei 135 Pfund. Finanzministerin Rachel Reeves betonte, dass diese Art der Importregelung den heimischen Handel unter Druck setzt. Die Europäische Union erwägt ebenfalls, die Steuerfreiheit für Lieferungen unter 150 Euro abzuschaffen. Dies könnte auch europäische Kunden bald mit höheren Preisen konfrontieren.
Kritik an der Wirksamkeit der neuen Zollpolitik
Obwohl die „de minimis“-Regelung offiziell aufgehoben wurde, gibt es weiterhin Bedenken, dass diese Maßnahme nicht die gewünschte Wirkung im Kampf gegen den Drogenschmuggel haben wird. Experten stellen infrage, ob das Ende der Regelung tatsächlich zu einer signifikanten Verringerung des Drogenschmuggels führen wird. Die meisten illegalen Substanzen gelangen nämlich über die Grenze zu Mexiko, nicht über kleine Sendungen aus China.
Zudem warnen Fachleute vor einer Überlastung des US-Zollpersonals. Der Nationale Außenhandelsrat erklärte, dass die Einführung zusätzlicher Kontrollen neue Arbeitsplätze erfordern würde, was ohne eine Aufstockung des Personals an bereits überlasteten Grenzabschnitten nicht möglich sei.
Die Auswirkungen der neuen Zollpolitik werden sich in den kommenden Monaten weiter abzeichnen. Verbraucher müssen sich auf Preissteigerungen einstellen, während Unternehmen wie Temu ihre Geschäftsstrategien anpassen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Weitere Entwicklungen sind zu erwarten.

