Friedrich Merz ist neuer Bundeskanzler – doch sein Start verlief holprig. Bei der Kanzlerwahl im Bundestag verfehlte der CDU-Politiker im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit. Erst im zweiten Versuch erhielt er die erforderlichen Stimmen. Die Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD verfügt eigentlich über eine knappe Mehrheit von zwölf Stimmen. Dass Merz trotzdem zunächst durchfiel, sorgt für Unruhe. Wer ihm die Stimme verweigerte, bleibt unklar. Die Wahl wirft die Frage auf: Wie stabil ist die neue schwarz-rote Koalition wirklich – und welche Konflikte könnten sie auf eine harte Probe stellen?
Schwache Mehrheit: Das politische Fundament von Schwarz-Rot
Union und SPD kommen im neuen Bundestag gemeinsam auf 328 Sitze. Für die Wahl eines Kanzlers sind 316 Stimmen nötig. Damit liegt die Mehrheit der Koalition bei gerade einmal zwölf Stimmen über dem Minimum.
Im ersten Wahlgang erhielt Merz jedoch nur 310 Ja-Stimmen – also sechs weniger als notwendig. Erst im zweiten Durchlauf stimmten 325 Abgeordnete für ihn. Drei Stimmen aus den eigenen Reihen fehlten offenbar erneut. Das zeigt: Die Mehrheit steht nur auf dünnem Eis.
Geheime Wahl: Wer verweigerte Merz die Unterstützung?
Da die Wahl des Bundeskanzlers geheim erfolgt, bleibt unklar, wer Merz im ersten Durchgang die Stimme verweigerte. In beiden Fraktionen – CDU/CSU und SPD – kursieren Spekulationen, doch niemand will offen Schuld zuweisen.
CDU-Innenpolitiker Alexander Throm sagte: „Mir fehlt wirklich jegliche Fantasie, dass Kolleginnen und Kollegen aus unserer eigenen Fraktion im ersten Wahlgang nicht zugestimmt hätten.“
SPD-Chef Lars Klingbeil betonte: „Wir sollten gar nicht spekulieren, wo die Nein-Stimmen im ersten Wahlgang hergekommen sind.“
CSU-Chef Markus Söder versuchte zu beschwichtigen: „Die Koalition wurde durch den Schockmoment bei der Merz-Wahl erst richtig zusammengeschweißt.“
Alte Spannungen: Wurzeln möglicher Ablehnung
Merz gilt in Teilen der SPD als Reizfigur. Viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten störten sich bereits im Wahlkampf daran, dass Merz bei bestimmten Gesetzesinitiativen mit AfD-Stimmen Mehrheiten organisieren wollte – etwa in der Migrationspolitik.
Auch der Koalitionsvertrag stieß bei den Jusos, der SPD-Jugendorganisation, auf Kritik. Diese hatte ihre Mitglieder sogar aufgerufen, beim SPD-Votum gegen das Bündnis mit der Union zu stimmen. Letztlich stimmten jedoch 84 Prozent für den Koalitionsvertrag.
Umgekehrt gab es auch Unmut innerhalb der Union. Einige CDU-Landesverbände waren unzufrieden mit der Verteilung der Ministerposten. Auch der geplante Schuldenkurs zur Finanzierung von Infrastruktur und Bundeswehr war vielen Parteifreunden ein Dorn im Auge – vor allem, weil Merz im Wahlkampf eine andere Linie vertreten hatte.
Zankapfel Migrationspolitik: Gefahr für die Einigkeit
Die nächsten Monate könnten zeigen, wie tragfähig das Bündnis wirklich ist. Besonders bei Migration und Sozialpolitik drohen Spannungen. Die CDU/CSU fordert einen härteren Kurs an den Grenzen, die SPD setzt dagegen auf humanitäre Lösungen und Rechtsstaatlichkeit.
Kritisch könnte es werden, wenn sich CDU oder CSU im Bundestag von der AfD unterstützen lassen – etwa bei Verschärfungen im Asylrecht. Für viele in der SPD wäre das ein Tabubruch. Kommt es dazu, könnte das Koalitionsende näher rücken.
Koalition auf dem Prüfstand: Kommt die Zusammenarbeit ins Wanken?
Der knappe Wahlausgang hat deutlich gemacht: Die Koalition ist nicht so stabil, wie sie auf dem Papier erscheint. Fehlende Stimmen, parteiinterne Spannungen und potenzielle Konflikte bei wichtigen Themen setzen das Bündnis unter Druck.
Friedrich Merz braucht nun nicht nur politische Führungskraft, sondern auch Feingefühl und Kompromissbereitschaft, um die Reihen geschlossen zu halten. Eine erneute Abstimmungsniederlage könnte weitreichende Folgen haben – nicht nur für seine Kanzlerschaft, sondern auch für das Bündnis selbst.
Der knappe Wahlausgang ist mehr als nur ein Schönheitsfehler. Er zeigt, dass die schwarz-rote Koalition unter Friedrich Merz jederzeit ins Wanken geraten kann, wenn Uneinigkeit herrscht. Besonders in der Migrationspolitik könnte es gefährlich werden. Merz steht vor der Aufgabe, Vertrauen zu festigen und Kompromisse zu schmieden, bevor die Koalition ihre erste große Bewährungsprobe erlebt.

